Dieses Mal sprechen wir bei "Hinter den Kulissen" über ein Thema, das viele Charge Point Operators (CPOs) beschäftigt und kontrovers diskutiert wird: den Wechsel des Backend-Betreibers.
Warum ist ein Wechsel so komplex und riskant? Welche Alternativen gibt es, und wie können Betreiber ihre Systeme optimieren, ohne in die Kosten- und Risiko-Falle eines Wechsels zu tappen? Wir haben uns mit Dr. Andreas Pfeiffer, Gründer und Geschäftsführer der greenventors GmbH, und Thomas Stragand, Senior Management Consultant bei Mediaan, zusammengesetzt, um Einblicke in ihre Erfahrungen und Lösungsansätze zu bekommen.
Herr Dr. Pfeiffer, warum wird der Wechsel eines Backend-Betreibers häufig diskutiert, obwohl er so risikobehaftet ist?
Dr. Andreas Pfeiffer: Ein Wechsel wird oft als einfache Lösung für Performanceprobleme oder mangelnde Usability angesehen, aber das ist er nicht. Viele Betreiber übersehen die Komplexität des Wechsels und die zugrundeliegenden Herausforderungen in ihren eigenen Prozessen. Häufig liegt das Problem weniger am Backend selbst, sondern an unklaren Strategien, ineffizienten Abläufen oder fehlenden Schulungen.
Aus Markt- und Geschäftsperspektive ist es zudem riskant, ohne klare Analyse zu wechseln. Wenn Mitarbeiter die Systeme und deren Logik nicht verstehen, besteht die Gefahr, dass dieselben Probleme im neuen Backend wieder auftauchen.
Aus Markt- und Geschäftsperspektive ist es zudem riskant, ohne klare Analyse zu wechseln. Wenn Mitarbeiter die Systeme und deren Logik nicht verstehen, besteht die Gefahr, dass dieselben Probleme im neuen Backend wieder auftauchen. - Dr. Andreas Pfeiffer
Herr Stragand, was macht einen Backend-Wechsel technisch so riskant?
Thomas Stragand: Ein Backend-Wechsel ist technisch sehr anspruchsvoll. Datenmigrationen sind oft fehleranfällig, besonders wenn Systeme nicht standardisiert sind oder proprietäre Lösungen eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Hardware und Software nach einem Wechsel nicht immer kompatibel sind.
Ein weiteres großes Risiko sind Betriebsunterbrechungen während der Migrationsphase. Wenn die Ladestationen nicht funktionieren oder die Abrechnung nicht korrekt läuft, schadet das nicht nur der Kundenbindung, sondern verursacht auch finanzielle Verluste. Wir sehen oft, dass Betreiber die technischen Details und die Dauer eines solchen Wechsels unterschätzen.
Gibt es eine echte Alternative zum Backend-Wechsel, und wie können CPOs diese erfolgreich umsetzen?
Dr. Andreas Pfeiffer: Ja, die gibt es definitiv. In den meisten Fällen ist ein Wechsel nicht die einzige Option. Wir empfehlen, den Fokus auf die Optimierung bestehender Systeme zu legen. Das beginnt bei einer klaren Analyse der Herausforderungen und reicht bis zur Befähigung der Mitarbeiter, Prozesse effektiv zu steuern und das volle Potenzial der Systeme auszuschöpfen.
Die Kombination aus Empowerment und Enablement der Mitarbeiter sowie strategischer IT-Planung macht es möglich, die Performance und Effizienz der bestehenden Infrastruktur erheblich zu steigern – ohne die Risiken und Kosten eines Wechsels. So werden bestehende Probleme nicht nur gelöst, sondern auch zukünftige Anforderungen besser adressiert.
Die Kombination aus Empowerment und Enablement der Mitarbeiter sowie strategischer IT-Planung macht es möglich, die Performance und Effizienz der bestehenden Infrastruktur erheblich zu steigern – ohne die Risiken und Kosten eines Wechsels. - Dr. Andreas Pfeiffer
Thomas Stragand: Technisch gesehen ist eine Optimierung oft die nachhaltigere Lösung. Viele Probleme wie mangelnde Automatisierung, Schnittstellenfehler oder ineffiziente Prozesse können durch gezielte Maßnahmen behoben werden, ohne dass ein Wechsel notwendig ist.
Selbst wenn ein Wechsel später unvermeidbar wird, sorgt eine vorherige Optimierung dafür, dass der Übergang weniger riskant und deutlich effizienter abläuft. Diese Maßnahmen sind daher nicht nur eine Alternative, sondern auch eine ideale Vorbereitung, sollte ein Wechsel dennoch anstehen.
Herr Dr. Pfeiffer, wie können Betreiber ihre Mitarbeiter befähigen, bestehende Systeme effizienter zu nutzen?
Dr. Andreas Pfeiffer: Der Schlüssel liegt im Empowerment und Enablement der Mitarbeiter. Teams müssen die geschäftlichen Zusammenhänge und die Funktionsweise der Systeme verstehen, um fundierte Anforderungen formulieren zu können.
Wir unterstützen Betreiber dabei, ihre Mitarbeiter zu schulen und Prozesse so zu optimieren, dass sie mit den vorhandenen Mitteln das Beste erreichen. Diese Maßnahmen erhöhen nicht nur die Effizienz, sondern minimieren auch Risiken – beispielsweise bei einem späteren Backend-Wechsel. Ein gut vorbereitetes Team kann den Wechsel reibungsloser und zielorientierter gestalten.
Herr Stragand, wie kann strategische IT-Planung CPOs helfen, ihre Systeme zu stabilisieren?
Thomas Stragand: Strategische IT-Planung ist essenziell, um Systeme stabil und zukunftssicher zu gestalten. Es geht darum, offene Standards wie OCPP zu nutzen, um Flexibilität zu gewährleisten und die Interoperabilität zwischen Systemen zu erleichtern.
Zusätzlich müssen IT-Systeme eng mit der Unternehmensstrategie verzahnt sein. Nur so können Betreiber auf Marktanforderungen und regulatorische Änderungen, wie die AFIR-Richtlinien, reagieren. Mit einer klaren IT-Strategie können viele Probleme im Vorfeld gelöst und Wechselszenarien deutlich entschärft werden.
Mit einer klaren IT-Strategie können viele Probleme im Vorfeld gelöst und Wechselszenarien deutlich entschärft werden. - Thomas Stragand
Herr Dr. Pfeiffer, was sollten Betreiber tun, bevor sie einen Wechsel in Betracht ziehen?
Dr. Andreas Pfeiffer: Eine gründliche Analyse ist unverzichtbar. Wo liegen die eigentlichen Probleme? Sind es technische Defizite, oder geht es um interne Herausforderungen wie fehlende Prozesse oder unklare Strategien?
Unser Ansatz bei Greenventors ist es, zuerst die vorhandenen Systeme und Teams zu stärken. Das heißt: Mitarbeiter schulen, Prozesse optimieren und klare fachliche Anforderungen entwickeln. Wenn diese Schritte durchgeführt werden, zeigt sich oft, dass ein Wechsel gar nicht notwendig ist – und wenn doch, wird er deutlich effizienter und weniger riskant.
Herr Stragand, welche Rolle spielt Automatisierung bei der Optimierung bestehender Systeme?
Thomas Stragand: Automatisierung ist ein Gamechanger. Viele Betreiber arbeiten noch mit manuellen Prozessen in Bereichen wie der Rechnungsstellung, dem Monitoring oder der Fehlerbehebung. Automatisierung reduziert nicht nur den Zeit- und Kostenaufwand, sondern verbessert auch die Datenqualität und minimiert Fehler.
Automatisierung macht Systeme auch robuster. Wenn grundlegende Prozesse stabil und effizient laufen, können Betreiber sich auf strategische Herausforderungen konzentrieren – anstatt ständig Probleme im Tagesgeschäft zu lösen.
Ein Backend-Wechsel ist ein komplexes und riskantes Unterfangen, das nur als letzte Option in Betracht gezogen werden sollte. Strategische IT-Planung, Prozessautomatisierung und eine klare Analyse der bestehenden Herausforderungen sind entscheidend, um die Effizienz zu steigern und zukünftige Anforderungen zu erfüllen.
Erfolgreiche CPOs setzen auf eine Balance zwischen Technologie und kompetenten Mitarbeitern. Empowerment und Enablement sind der Schlüssel, um nicht nur die richtigen Entscheidungen zu treffen, sondern diese auch richtig umzusetzen. Diese Balance sorgt dafür, dass ein Team in jeder Situation – ob im bestehenden System oder nach einem Wechsel – nachhaltig erfolgreich arbeiten kann.
Dank der Erfahrungen von Mediaan in der Migration von Großsystemen, in der Optimierung und Automatisierung sowie der Expertise von greenventors im jungen Elektromobilitätsmarkt und dem Scaleup von Unternehmen können CPOs nachhaltige Lösungen finden, die langfristig Kosten sparen und Effizienz steigern.