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AutorenbildEmre Can Anlar

Rechtliche und praktische Ansätze zur Umsetzung von Schnellladeinfrastruktur in Kommunen

Die Elektromobilität ist längst kein Nischenthema mehr, sondern auf dem besten Weg, sich als zukunftsfähige Mobilitätslösung zu etablieren. Doch mit der steigenden Zahl an Elektrofahrzeugen geht auch ein rasant wachsender Bedarf an Schnellladeinfrastruktur einher. Wir sprechen heute mit Dr. Andreas Pfeiffer, Geschäftsführer von greenventors, und Dr. Georg Queisner, Fachanwalt für Vergaberecht bei PwC Legal, über die aktuellen Entwicklungen, Herausforderungen und rechtlichen Hürden bei der Bereitstellung von Ladeinfrastruktur, insbesondere aus kommunaler Perspektive.

Dr. Andreas Pfeiffer (greenventors) & Dr. Georg Queisner (PwC legal) im Gespräch
Dr. Andreas Pfeiffer (greenventors) & Dr. Georg Queisner (PwC legal)

Herr Dr. Pfeiffer, laut der Internationalen Energieagentur (IEA) und dem Global EV Outlook 2024 wird prognostiziert, dass bis 2030 weltweit etwa 230 Millionen Elektrofahrzeuge unterwegs sein werden. Wie schätzen Sie die aktuelle Marktentwicklung in Deutschland und global ein?

Dr. Andreas Pfeiffer: Die Prognosen der IEA zeigen eindrucksvoll, dass die Elektromobilität nicht nur eine vorübergehende Entwicklung ist, sondern dass sie auf globaler Ebene weiter massiv wachsen wird. Mit aktuell etwa 14 Millionen Elektrofahrzeugen weltweit und dem prognostizierten Anstieg auf 230 Millionen bis 2030 sehen wir, dass sich der Markt unglaublich dynamisch entwickelt. Auch in Deutschland haben wir bereits rund 1,3 Millionen Elektrofahrzeuge, und der Bedarf an Ladeinfrastruktur steigt stetig. Allerdings hinken wir beim Ausbau der Ladeinfrastruktur noch hinterher. Momentan haben wir etwa 90.000 öffentliche Ladepunkte, und davon sind nur rund 20% Schnellladestationen. Bis 2030 wird erwartet, dass etwa 40 Millionen öffentliche Ladepunkte weltweit benötigt werden, um die Nachfrage zu decken. In Deutschland müssen wir hier also kräftig nachlegen.


Welche Rolle spielt dabei die Schnellladeinfrastruktur?

Dr. Andreas Pfeiffer: Die Schnellladeinfrastruktur ist der Schlüssel, um die Elektromobilität alltagstauglich zu machen – besonders für Langstreckenfahrten. Momentan sind etwa 20% der Ladeinfrastruktur in Deutschland Schnellladestationen, was bei der steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen nicht ausreicht. Die Anzahl der Schnellladepunkte muss schnell erhöht werden, um den Anforderungen der wachsenden Fahrzeugflotten gerecht zu werden. Schnellladesäulen ermöglichen es, Fahrzeuge in 20 bis 30 Minuten aufzuladen, was nicht nur für Privatnutzer, sondern auch für gewerbliche Flottenbetreiber ein entscheidender Vorteil ist.


Herr Dr. Queisner, welche rechtlichen Hürden treten bei der Errichtung solcher Schnellladeinfrastruktur auf?

Dr. Georg Queisner: Eine der größten Herausforderungen sind die Genehmigungsverfahren. Für größere Anlagen ist oft eine Baugenehmigung erforderlich. – beispielsweise wenn die Anlage über größere Überdachungen verfügt, oder zusätzlichen Einrichtungen wie WC-Anlagen vorhanden sind. Gerade die Ladehubs, die viele Kommunen planen, erfordern in der Regel eine Baugenehmigung. Auch die baunutzungsrechtlichen Vorgaben spielen eine zentrale Rolle, insbesondere in Wohngebieten, wo Störungen durch Lärm oder Beleuchtung berücksichtigt werden müssen. Hierbei müssen Kommunen und Betreiber eng zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Genehmigungen rechtzeitig erteilt werden und der Ausbau nicht ins Stocken gerät.


Gibt es Möglichkeiten, von den Festsetzungen eines Bebauungsplans abzuweichen?

Dr. Georg Queisner: Ja, in einigen Fällen ist eine Befreiung nach § 31 Bau-gesetzbuch möglich. Das Vorgehen setzt voraus, dass Gründe des Allgemeinwohls eine Befreiung erforderlich machen.  In der Regel kommt eine Befreiung nur in Betracht, wenn es keine geeigneten Alternativflächen gibt und das Projekt von öffentlichem Interesse ist. Diese Befreiungen sind jedoch immer eine Einzelfallentscheidung und müssen genau geprüft werden. Besonders in dicht besiedelten Gebieten kann es sinnvoll sein, diese rechtlichen Optionen zu nutzen, um den Bau der Ladeinfrastruktur voranzutreiben.


Planung und Umsetzung als gemeinsame Herausforderung von Betreibern und Städten
Planung und Umsetzung als gemeinsame Herausforderung von Betreibern und Städten

Was sind typische Hindernisse bei der Planung und Umsetzung von Ladeparks in Städten?

Dr. Georg Queisner: Hat eine Kommune eine Fläche für einen Ladepark ausgewählt, stellt sich zunächst die Frage, ob das Vorhaben im Rahmen des bestehenden Bebauungsplans umgesetzt werden kann. Das kann zum Beispiel daran scheitern, dass das Vorhaben in dem im Bebauungsplan ausgewiesenen Baugebiet nicht zulässig ist. Kommunen müssen also insbesondere beachten, dass bestehende Bebauungspläne sich auf die Zulässigkeit des Vorhabens auswirken. In vielen Fällen ist eine Befreiung nach § 31 Baugesetzbuch möglich. Diese Befreiungen müssen aber individuell geprüft und genehmigt werden. Dabei spielen untergeordnete Nebenanlagen, wie WC-Anlagen oder Kioske, eine Rolle, da sich der Nutzungszweck des Vorhabens durch diese Einrichtungen unter Umständen ändert. Das kann Auswirkungen auf die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens haben.

Sollte auch eine Befreiung nicht möglich sein, sollte eine Kommune in Betracht ziehen, den Bebauungsplan zu verändern und die Ladeinfrastruktur in dem vorgesehenen Plangebiet zu einem zulässigen Vorhaben zu erklären. Hierzu hat der Bundesgesetzgeber im Baugesetzbuch Möglichkeiten geschaffen. 


Herr Dr. Pfeiffer, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Kriterien, die ein Standort für einen Schnellladepark erfüllen muss?

Dr. Andreas Pfeiffer: Ein Standort muss mehrere wesentliche Anforderungen erfüllen, um als Schnellladepark effizient betrieben zu werden. Zunächst einmal brauchen wir ausreichend Platz für mindestens zwei bis vier Ladepunkte mit Erweiterungsmöglichkeiten und Platz für einen Transformator, da hohe Ladeleistungen benötigt werden. Zugänglichkeit ist ebenfalls wichtig – die Ladeinfrastruktur muss rund um die Uhr erreichbar sein und keine Höhenbeschränkungen haben, um auch größere Fahrzeuge wie Transporter bedienen zu können.Verkehrsanbindung ist ein weiterer entscheidender Faktor. Schnellladeparks sollten sich idealerweise an Hauptverkehrsstraßen oder Autobahnen befinden. Auch die Verfügbarkeit von zusätzlichen Dienstleistungen wie Toiletten oder Gastronomie erhöht die Attraktivität des Standorts und sorgt für eine höhere Auslastung.


Eine interessante Frage kam auf: Sind Schnellladeparks rechtlich wie Tankstellen zu bewerten? Welche Auswirkungen hat das auf die Genehmigungsverfahren?

Dr. Georg Queisner: Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis. Schnellladeparks werden rechtlich nicht wie Tankstellen behandelt, obwohl sie eine ähnliche Funktion haben. Der Bundesgesetzgeber hat spezielle Regelungen im Baugesetzbuch vorgesehen, nach denen Kommunen im Bebauungsplan Flächen für Schnellladeinfrastruktur ausweisen können.


Können Sie uns einen Einblick in den Umsetzungsprozess eines Schnellladeparks geben?

Dr. Andreas Pfeiffer: Der Umsetzungsprozess beginnt mit der Standortidentifikation und der Bewertung, ob der Standort die nötigen Anforderungen erfüllt – das schließt auch die Verfügbarkeit von Stromanschlusskapazitäten ein. Dann folgt die Entwurfsplanung und die Abstimmung mit den zuständigen Behörden und Netzbetreibern. Sobald die rechtlichen und technischen Anforderungen geklärt sind, geht es in die Bauphase und anschließend die Inbetriebnahme des Ladeparks. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Betreibern ist hierbei entscheidend, um Hindernisse frühzeitig aus dem Weg zu räumen. Erfahrene Betreiber bringen oft standardisierte Vertragswerke und Prozesse mit, die die Umsetzung deutlich beschleunigen können.

Umsetzungsprozess eines Schnellladeparks
Umsetzungsprozess eines Schnellladeparks

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie beim weiteren Ausbau der Schnellladeinfrastruktur in Deutschland?

Dr. Andreas Pfeiffer: Die Chancen sind enorm, insbesondere im Hinblick auf die Beschleunigung der Elektromobilität. Schnellladeinfrastruktur kann dazu beitragen, dass Elektromobilität auch für Langstreckenfahrten attraktiv wird. Die Herausforderung besteht darin, die Infrastruktur rechtzeitig auszubauen und sicherzustellen, dass wir den wachsenden Bedarf decken können. Es bedarf einer engen Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Betreibern und Netzbetreibern, um diese Herausforderung zu meistern. Mit der Plattform energieparkmakler bringen wir Eigentümer und Betreiber schneller zusammen, was den Ausbau effizienter gestaltet.


Dr. Georg Queisner: Ich sehe die rechtlichen Rahmenbedingungen als eine Chance, um innovative Lösungen voranzutreiben. Es wird wichtig sein, klare Regelungen zu schaffen, die den Kommunen helfen, Ladeinfrastrukturprojekte unkompliziert umzusetzen. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass rechtliche Hürden – wie zum Beispiel lange Genehmigungsverfahren – reduziert werden, um den Ausbau zu beschleunigen. Mit den richtigen rechtlichen und regulatorischen Instrumenten können wir die Basis für eine flächendeckende Schnellladeinfrastruktur schaffen.


Zum Schluss eine Frage zur aktuellen Diskussion in Deutschland: Oft hört man, dass das Thema Elektromobilität an Schwung verliert. Wie schätzen Sie die Marktentwicklung ein?

Dr. Andreas Pfeiffer: Entgegen der Unkenrufe sehe ich das völlig anders. Die Elektromobilität ist keineswegs auf dem Sinkflug, sondern wächst weltweit kontinuierlich weiter. Allerdings ist das Wachstum in Deutschland aktuell etwas gebremst, vor allem durch die eingestellte Fahrzeugförderung und die abwartende Haltung vieler Käufer, die auf Rabattprogramme der Fahrzeughersteller im Vorfeld der Flottenziele 2025 spekulieren. Wenn diese Rabatte kommen, erwarte ich einen deutlichen Anstieg bei den Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland aktuell hinterher, aber die Elektromobilität wird hier definitiv weiter an Bedeutung gewinnen – vor allem, wenn wir den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur rechtzeitig vorantreiben.

 

Der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur ist ein entscheidender Faktor für die Zukunft der Elektromobilität in Deutschland. Städte und Kommunen spielen eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung der Ladepunkte, während rechtliche und bauliche Hürden überwunden werden müssen, um den Markt weiter anzukurbeln. Dr. Georg Queisner betont, dass rechtliche Expertise hierbei unerlässlich ist, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und städtebauliche Herausforderungen zu meistern. PwC Legal unterstützt Kommunen und Unternehmen durch maßgeschneiderte rechtliche Beratung, um den Weg für eine effiziente Umsetzung der Ladeinfrastruktur zu ebnen. Plattformen wie energieparkmakler und eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Betreibern und Netzbetreibern sind unerlässlich, um diese Herausforderungen zu bewältigen und den schnellen Übergang zur Elektromobilität zu fördern.

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